Karl Geiger bei Sieg von Anze Lanisek auf Platz drei
Titisee-Neustadt. Gäbe es Medaillen für die Ausrichter von Weltcup-Veranstaltungen. Dann hätten die Organisatoren von Titisee-Neustadt eine Goldene verdient. Bis am Donnerstag keine Flocke Schnee im Hochschwarzwald. Die Temperaturen noch zu deutlich über dem Gefrierpunkt. Eine Präparation der größten Natursprungschanze Europas einfach unmöglich. Aber die Hochschwarzwälder Organisatoren haben es wieder einmal geschafft, aus nichts viel zu machen. Etwa 3.500 Kubikmeter Altschnee vom vergangenen Winter haben sie über den Hitzesommer 2022 unter Planen und Styroporklötzen in die neue Saison gerettet. Am Donnerstag der Vorwoche packte ein über 60-köpfiges Helferteam kräftig mit an. Der „Hochschwarzwald-Gletscher“ wurde geöffnet. Darunter Weltcup tauglicher Altschnee mit Lastwagen an die nahe Hochfirstschanze gekarrt. Nach vier Tagen unermüdlicher Arbeit der ehrenamtlichen Helfer präsentierte sich die Sprunganlage tatsächlich sprungbereit.
„Großes, großes Kompliment an das Schanzenteam und alle Helfer. Sie haben das eigentlich Unmögliche möglich gemacht. Nirgendwo in Europa gibt es Schnee, dank dem „Hochfirstgletscher“ konnte die Schanze präpariert werden, die in einen sehr guten Zustand ist. Neustadt war immer gut, aber in diesem Jahr haben Sie ihr Meisterstück gemacht“, gab es höchste Wertschätzung von Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher.
Ja, und gestern war es endlich soweit. Zur Vorweihnachtszeit rieselte der Schnee leise vom Himmel. Das Ambiente mit der weißen Schwarzwald-Landschaft passte so richtig zum Weltcup-Auftakt im Neustädter Schmiedsbachtal. Freitagvormittag ist ja hierzulande noch ein Arbeitstag - trotzdem tummelten sich rund 800 Skisprungfans aus dem In- und Ausland im weiten Rund des Skistadions und sorgten für eine lautstarke Kulisse und Stimmung. Und sie erlebten an der großen Hochfirstschanze einen packenden Wettkampf. „Mit dem ersten Wettbewerb sind wir sehr zufrieden, wir haben einen sehr spannendes Springen gesehen. Ein Lob an die Verantwortlichen in Neustadt, die eine sehr gute Anlage geschaffen haben“, lobte FIS-Race-Direktor Sandro Pertile die Hochschwarzwälder Organisatoren nach der Auftaktveranstaltung.
Mit Weiten von 133,5 und 141 Metern und der Gesamtnote 272,8 sicherte sich der bisherige Weltcupdritte Anze Lanisek mit 130,5 Metern und der Tagesbestweite von 144 Metern den Tagessieg. Um schlappe 1,3 Punkte geschlagen oder umgerechnet in Weite nicht einmal 72 Zentimeter zurück sprang Weltcup-Leader Dawid Kubacki zur Freude des lautstarken polnischen Anhangs auf den zweiten Rang. Und dahinter? Da meldete sich Karl Geiger eindrucksvoll in der Weltspitze zurück. Auf 135 Meter trug es den 29-jährigen Weitenjäger vom SC Oberstdorf bei seinem ersten Versuch hinunter. Sein zweiter Sprung endete nach 141,5 Metern und der zweitbesten Tagesweite ganz weit unten. 269,2 Punkte reichten mit Platz drei für den ersten Podestplatz eines DSV-Springers in der noch jungen WM-Saison.
„Unglaublich, ich hatte selber nicht damit gerechnet, dass es schon für das Podium reicht. Die Sprünge werden immer besser. Heute habe ich schon von der Quali weg gute Sprünge gezeigt“, frohlockte der Weitenjäger aus dem Allgäu nach dem Wettkampf. „Nach dem Podestplatz von Karl Geiger sind wir mehr als zufrieden. Wir haben uns einen Platz auf dem Podium gewünscht, aber schon im Training gesehen, dass das nicht leicht wird. Karl hat heute super Sprünge gezeigt, speziell im zweiten Durchgang, er ist auf dem Weg in die richtige Richtung“, freute sich der Stefan Horngacher über den gelungen Auftakt für des Doppel-Weltmeisters von Oberstdorf 2021“. Denn irgendwie hatte der Skisprung-Bundestrainer ihm diese Leistung auch schon wieder zugetraut. Und schließlich hatte auch Karl Geiger auch noch ein dickes Lob für die Organisatoren parat, „war es in der Tat nicht ganz einfach die Schanze zu präparieren. Ganz großes Kompliment an den die Helfer und den Skiclub für die Präparation, die haben die Schanze unglaublich gut hergerichtet, das ist ja mit Depotschnee nicht ganz einfach“.
Und im Lager des Deutschen Skiverbandes gab es noch mehr Grund zur Freude. Denn nach Karl Geiger schaffte auch der erst 23-jährige Constantin Schmid mit Sprüngen auf 132,5 und 134 Meter (251,2) als Siebter die direkte WM-Norm. „Constantin hat ebenfalls eine Superleistung gezeigt mit Platz sieben“, frohlockte Horngacher, der auch „mit Stephan Leyhe sehr zufrieden war“. Der Wahl-Hinterzartener stand 132,5 und 128 Meter (237,0), die dem Weitenjäger vom SC Willingen mit Rang 15 die Erfüllung der halben WM-Norm einbrachte.
Es gibt aber auch noch ein paar kleinere Baustellen im DSV-Springerlager. Olympiasieger Andi Wellinger (Rang 43) treibt dem deutschen Chefcoach derzeit einige kleine Sorgenfalten auf die Stirn, „weil er sich bei einem Sturz leicht am Sprunggelenk verletzt hat, was ihn aber heute sehr behindert hat“. Und Markus Eisenbichler (21.) ist noch nicht da, wo er sein sollte, aber er befindet sich ja nach seiner Verletzungspause auch noch im Aufbau. Pius Paschke landete einen Rang dahinter. (joh)
Bild zur Meldung: Karl Geiger bejubelt seinen dritten Platz beim Skisprung-Weltcup in Titisee-Neustadt - Bild: Joachim Hahne / johapress